Expertenbeitrag von Simon Funke, Fraunhofer ISI Elektrofahrzeuge – sauberer als ihr Ruf?

Elektrofahrzeuge stehen im Verruf, gar nicht so sauber zu sein, wie gerne angepriesen. Doch aktuelle Studien zeigen: im Schnitt sind Elektrofahrzeuge bereits heute saubererer als Verbrenner, auch wenn sie nicht nur Ökostrom laden. Ein Experten-Artikel von Simon Funke zu dem Thema: Elektrofahrzeuge – sauberer als ihr Ruf?

Simon Funke - Experte für Elektromobilität

Wird der Elektromobilität ihre Daseinsberechtigung abgesprochen?

So langsam nimmt der Markt für Elektrofahrzeuge Fahrt auf und mit dem Erfolg werden auch die kritischen Töne wieder lauter - auch oder im Besonderen, weil Elektroautos aktuell stark gefördert werden. Mag die Kritik, dass für eine Verkehrswende mehr als nur die Umstellung der Antriebsart notwendig ist, berechtigt sein, so wird die Treibhausgasbilanz von Elektrofahrzeugen nach meiner Wahrnehmung gerne schlechtgerechnet, um der Elektromobilität ihre Daseinsberechtigung abzusprechen, da sie "ja gar nicht so grün sind, wie gerne behauptet wird".

Auf mittlere bis lange Sicht werden Elektrofahrzeuge wahrscheinlich günstiger sein als vergleichbare Verbrenner, sauberer sind Elektrofahrzeuge in Deutschland schon heute. Die Problematik bei der Bewertung der Treibhausgasbilanz von Elektrofahrzeugen ist, dass unterschiedliche Rahmenbedingungen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen für Elektrofahrzeuge führen - daher ist eine sachliche Bewertung notwendig. Auf die wichtigsten Einflussgrößen wird daher in diesem Artikel eingegangen.

Der ökologische Rucksack einer Elektroauto-Batterie

Eine Herausforderung für Elektrofahrzeuge sind die hohen Emissionen der Batterieherstellung. Diese können - je nach Größe der Batterie - mehr als die Hälfte der Emissionen aus der Fahrzeugproduktion ausmachen. Daher ist die Herstellung von Elektrofahrzeugen mit höheren Emissionen verbunden als die von konventionellen Fahrzeugen - hier wird oft vom ökologischen Rucksack gesprochen. Je größer die Batterie, desto größer der ökologische Rucksack. Was die Bewertung des ökologischen Rucksacks erschwert, ist die hohe Bandbreite, die für die Emissionen der Batterieproduktion zu finden ist. Diese reichen von 50 bis zum Teil deutlich über 200 kg CO2-Äq je Kilowattstunde Batterie. Die hohe Bandbreite ist auf unterschiedliche Rahmenbedingungen der Batterieherstellung zurückzuführen. Wird für die Batteriefertigung hauptsächlich Strom aus Erneuerbaren Energien verwendet - wie es beispielsweise Tesla anstrebt und zu sehr großen Teilen bereits umgesetzt hat - weisen die Batterien nur ca. halb so viele Emissionen auf wie Batterien, die - wie beispielsweise in China - mit einem hohen Anteil an Kohlestrom hergestellt werden. Da die Batterieproduktion bislang vor allem durch asiatische Hersteller dominiert wird, sind in der Literatur häufig hohe Emissionsfaktoren für die Batterieproduktion zu finden. Diese sind aber aufgrund der schnellen Fortschritte in der Batterieproduktion nicht 1:1 auf den aktuellen Status übertragbar, auch aufgrund des hohen Anteils von Tesla - im Mai 2019 waren angeblich 16% der weltweiten Batteriekapazität in Tesla Model 3 verbaut. Vor allem zukünftig ist von weiteren Fortschritten auszugehen, wie die Bestrebungen von Northvolt zeigen, grüne Batteriezellen in Europa zu fertigen.

Die hohe Effizienz des Elektroautos

Der große Vorteil von Elektroautos ist die effiziente Nutzung des Kraftstoffs Strom. Während ein Diesel-Pkw ca. ein Viertel der Primärenergie nutzt, liegt der Wirkungsgrad eines Elektro-Pkw (von der Quelle bis zum Antriebsrad, Well-to-Wheel) für den deutschen Strom-Mix bei aktuell ca. 45%. Bei der Nutzung von erneuerbaren Energien liegt der Wirkungsgrad sogar bei ~75%. Der Wirkungsgrad eines Brennstoffzellen-Fahrzeugs liegt bei ungefähr der Hälfte (~35%), sowohl für die Erdgasreformierung als auch bei der Nutzung von erneuerbarem Strom. Der Wirkungsgrad von synthetischem Methan, einem Vertreter der sogenannten eFuels, liegt bei ungefähr 15%. Würden alle Pkw in Deutschland mit eFuels betrieben, wäre eine inländische Produktion mit Erneuerbaren Energien aus wirtschaftlichen und Akzeptanzgesichtspunkten sehr wahrscheinlich nicht möglich und man wäre auf importierte Kraftstoffe angewiesen - die auch erst nach 2030 zu konkurrenzfähigen Kosten verfügbar sein werden.

Die hohe Effizienz des Elektroautos spiegelt sich auch in den relativ geringen Emissionen während des Betriebs wider. Selbst, wenn ein Elektroauto, das 2019 angeschafft und durchschnittlich 13 Jahre genutzt wird, "nur" mit deutschem Strom-Mix betrieben wird, spart es gegenüber einem vergleichbaren Verbrenner je nach Größenklasse ca. 25 bis über 40 % an Treibhausgasemissionen ein. Oft wird gerne unterschlagen, dass der Strom-Mix in Deutschland bis 2030 deutlich weniger CO2-intensiv sein wird wie heute - und das Elektroauto entsprechend auch. Bezieht man diesen Aspekt nicht mit ein, überschätzt man die Emissionen eines Elektrofahrzeugs um ca. 15%. Für konventionelle Fahrzeuge werden die Vorketten-Emissionen der Kraftstoffe für konventionelle Ölförderung berücksichtigt (sowie ein Biokraftstoffanteil von 5%). Wird das Öl hingegen aus Ölsanden oder mittels Fracking gewonnen, erhöhen sich die Emissionen des Treibstoffs aufgrund des höheren Energieverbrauchs der Ölförderung.

Ein elektrischer Kleinwagen ist insgesamt nach zwei bis vier Jahren besser als ein Verbrenner, eine elektrische Oberklasselimousine hat im Schnitt seinen Diesel-Bruder nach vier bis sechs Jahren überholt. Wird ein Oberklasse-Elektrofahrzeug mit großer Batterie nur auf der Autobahn betrieben, fällt die CO2-Einsparung deutlich geringer aus, ist aber über dessen Lebensdauer immer noch gegeben.

Elektrofahrzeuge sauberer unterwegs als angenommen

Tatsächlich produziert aktuell ein hoher Anteil an Elektrofahrzeugbesitzern seinen Strom selbst - mittels einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. In einer aktuellen Umfrage aus dem Jahr 2018 geben ca. 50% der Elektrofahrzeugnutzer an, eine eigene PV-Anlage zu besitzen. Weitere 10% haben eine feste Kaufabsicht. Fahrzeuge, die nur mit erneuerbarem Strom fahren, sind nach ein bis drei Jahren umweltfreundlicher (bezüglich Treibhausgasemissionen) als konventionelle Fahrzeuge, insgesamt sparen sie über die Lebensdauer betrachtet 50-75% an Emissionen ein.

Sicher, heutige Elektrofahrzeugnutzer bilden nicht den durchschnittlichen Fahrzeugnutzer ab. Dennoch ist der Status Quo ein Indiz dafür, dass Elektrofahrzeuge eher sauberer unterwegs sind als oft angenommen. Durch Ladesteuerung kann die Integration von erneuerbaren Energien durch Elektrofahrzeuge noch verbessert werden. Ladesteuerung hilft zudem, Netzausbaukosten einzusparen.

Plug-In Hybrid-Fahrzeuge - eine Mogelpackung?

Schließlich noch ein Wort zu Plug-In Hybrid-Fahrzeugen (PHEV für Englisch Plug-In Hybrid Electric Vehicle), die im Verruf stehen, Mogelpackungen zu sein, damit die Automobilhersteller die Emissionsgrenzwerte einhalten können. Diese Fahrzeuge tauchen in Klimarechnungen häufig auch gar nicht auf, da ihre Emissionen schwer zu bestimmen sind, weil diese eben auch vom individuellen Fahrverhalten abhängen. Ein PHEV, das oft elektrisch fährt hat einen anderen ökologischen Fußabdruck als ein PHEV, das fast ausschließlich im Verbrenner-Betrieb fährt. Und ein PHEV muss viel elektrisch fahren, damit sich Emissionsvorteile ergeben. Mit hohen Reichweiten tun sie das aber auch, wie Auswertungen zu realem Fahrverhalten zeigen! PHEV mit einer elektrischen Reichweite über 60 km (real) fahren zu 75% elektrisch. Werden Plug-In-Hybride also nicht als Verbrenner-Fahrzeuge missbraucht, um staatliche Subventionen abzugreifen, sondern werden entsprechend Ihrer Idee viel elektrisch gefahren, sind auch Plug-In Hybridfahrzeuge ein wichtiger Teil der Verkehrswende. Nicht zuletzt, weil die im Vergleich zu einem Batteriefahrzeug kleinere Batterie zu einem kleineren ökologischen Rucksack führt.

Die Aussage, dass Elektrofahrzeuge heute in Deutschland durchschnittlich nicht weniger Treibhausgasemissionen ausstoßen als Benziner oder Diesel ist falsch. Sicher gibt es auch bei Elektrofahrzeugen noch Verbesserungsbedarf - die Batterien müssen und werden sauberer werden, auch sollte man überlegen, ob riesige Batterien in den Fahrzeugen notwendig sind - jedoch sollte man die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Der Schluss, Elektrofahrzeuge deswegen abzustempeln ist in meinen Augen nicht der richtige Weg. Vielmehr sollte man weiter daran arbeiten, Elektrofahrzeuge noch besser zu machen.

Die Aussagen des Artikels spiegeln die private Meinung des Autors Simon Funke wider.

Folgende beide Studien dienten als Hauptquelle für den Artikel:

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Simon Funke - wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer ISI

Simon Funke forscht seit 2012 zum Thema Elektromobilität und Ladeinfrastruktur. Er hat hierzu am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI seine Promotion verfasst und arbeitet dort in der angewandten Forschung - aktuell in verschiedenen nationalen Forschungsprojekten rund um das Thema Mobilität.

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